Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) by Schmidt Peter
Autor:Schmidt, Peter [Schmidt, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner Verlag
veröffentlicht: 2012-07-08T22:00:00+00:00
Ich war gerade mit dem Artikel fertig, als die Tür aufflog und ein Schwarm von Hollys Freundinnen hereingestürmt kam. Einige hatten rote Strähnen im Haar und andere zum Zackenkamm hochgestylte Klebefrisuren. Alle gackerten wie die Hühner und warfen mit Geschenken um sich, die in mehrere Lagen kitschiges Geschenkpapier verpackt waren. Ein paar Minuten später sah Hollys Wohnzimmer aus wie der Packraum eines Versandgroßhändlers.
»Du bist also Albert, das elfte oder zwölfte Weltwunder?«, erkundigte sich ein spindeldürres Mädchen mit kreisrunder Hornbrille.
»Und du das zehnte?«
»Weshalb?«
»Weil du eine Brille aus Fensterglas trägst. Vor wem willst du dich verstecken?«
»Woran siehst du denn, dass es Fensterglas ist?«
»Mein Vater ist Glasfabrikant. Ich bin mit Glas groß geworden, mit Schnapsflaschen und so weiter.«
»Im Ernst? Du willst mich vergackeiern?«
»Seh ich so aus, als wenn ich das schaffen könnte?
»Bei Typen wie dir kann man nie wissen.«
»Nimm dir ein Beispiel an mir. Man braucht keine Brille, wirf sie einfach weg.«
»Warum starrst du mir dauernd auf die Titten?«
»Auf welche Titten?«
»Du bist gemein …«
»Ich versuche nur ehrlich zu sein.«
Sie zog ein Gesicht, als wenn sie gleich losheulen würde. Sie war wirklich nicht besonders opulent ausgestattet in dem Bereich und das machte ihr offenbar zu schaffen.
»Entschuldige bitte, ich hatte heute einen schweren Tag«, sagte ich und legte tröstend meinen Arm um ihre Schultern.
ICH ERWISCHTE MICH TATSÄCHLICH DABEI, WIE ICH MICH BEI EINEM MÄDCHEN DAFÜR ENTSCHULDIGTE, DASS ES ZU KLEINE TITTEN HATTE!
»Das sagst du nur aus Höflichkeit.«
»Nein, es war gedankenlos.«
»Wir Amerikanerinnen finden so was gar nicht komisch.«
»Kommt nicht wieder vor.«
»Und das soll ich jetzt glauben?«
»Warum nicht? Ich hab mal ein Mädchen gekannt, das dauernd fragte: Und das soll ich jetzt glauben? Weißt du, woran es gestorben ist?«
»Nein.«
»Als sie im Schwimmbad aufs Sprungbrett stieg, warnte jemand: Vorsicht, kein Wasser im Pool. Aber sie wollte es nicht glauben.«
»Blödsinn …«
»Doch, das ist eine wahre Geschichte.«
Sie lachte – Gott sei Dank, sie lachte! Obwohl sie immer noch so aussah, als würde sie gleich wieder losheulen. Wenigstens fragte sie mich nicht danach, wie groß die Titten des Mädchens im Pool gewesen waren.
Fast kam ich mir nach so vielen Ausflüchten und Entschuldigungen vor wie der Protagonist in einem dieser uralten Entwicklungsromane, der nach einem Parcours innerer und äußerer Katastrophen in den sogenannten aufgeklärten Zustand gelangt und am Ende sogar moralisch besser wird.
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